von Thomas Koch
Marie-Sabine Roger / Das Leben ist ein listiger Kater

Das Labyrinth der Wörter haben wir geliebt, auch die sensationelle Verfilmung mit Gerard Depardieu, der neueste kleine Roman von Marie-Sabine Roger steht dem in Nichts nach: Ein eigenbrötlerischer, verwitweter Rentner, Jean-Pierre, ein Griesgram sonders gleichen, wird bei einem Autounfall in die Seine geschleudert; nach Tagen im Koma erwacht er „polytraumatisiert“ im Krankenhaus. Hier wird er nun, bis auf seinen Sarkasmus völlig wehrlos, von einer herrlichen Meute seltsamster Menschen heimgesucht - wunderbar.
Super gelungen sind die Kapitel, in denen es um sein Verhältnis zu seinem Lebensretter geht: „Die „Person“ ist der junge Prostituierte…“. Köstlich, dieses Herumgeiere. Schlussendlich fügt sich aber alles zusammen, Jean-Pierre freundet sich mit Menschen an, ein wunderschönes Happy End. Beste, nein: Allerbeste Urlaubslektüre!
von Thomas Koch
Siri Hustvedt / Leben, Denken, Schauen

Auf der Rückseite steht: „In diesen … Essays erforscht die wohl bekannteste Femme de lettres der USA eine der Grundfragen unseres Menschseins: Wer sind wir? Und was bedeutet es, ein Mensch zu sein?“
Ich weiß nicht, ob man es so hoch hängen muss. Das Buch ist aber eine wirklich schöne Sammlung, in die es sich immer wieder lohnt, hineinzulesen. Dabei muss man ja nicht den Einteilungen folgen, die das Inhaltsverzeichnis vorgibt; viel schöner ist es, der Neugierde auf die einzelnen Titel der Essays zu folgen. Die Schriftstellerin Hustvedt, deren Romane (z. B. aktuell Der Sommer ohne Männer) bestimmt nicht jedermanns Sache sind, zeigt sich hier von der Seite, die wahrscheinlich die Basis für die vielschichtigen Strukturen ihrer Romane darstellt: Forschend, hinterfragend, analysierend. Auf jeden Fall sehr anregend zu lesen.
von Thomas Koch
Charlotte Seeling / Mode

Seeling schreibt über den Beginn der Mode, über die frühen herausragenden Protagonisten der Szene, sehr interessant, kurzweilig und informativ. Das Wesentliche, ja das Tolle an dem Buch sind jedoch eindeutig die Fotos, sowohl die persönlichen der im Einzelnen vorgestellten Designer wie auch die Modephotographien. Egal, ob man einer gewissen Chronologie folgt, die einzelnen Kapitel als Schwerpunktthemen annimmt oder einfach nach Lust und Laune blättert: wer an dem Thema Spaß hat (und wer hat das heute nicht!), dem wird dieses Buch gefallen. Auch nach dem Urlaub nimmt es sich übrigens auf dem Coffee Table super aus!
von Thomas Koch
Lee Child / Jack Reacher

Ich muss an dieser Stelle mal ein Bekenntnis niederschreiben: Ich bin Jack-Reacher-Fan. Lee Childs Thriller um den Militärpolizei-Veteranen lassen mich nicht mehr los. Dieser physisch im besten Karl-Mayschen Sinne idealisierte Held fasziniert mich irgendwie. Seine entschlossene, skrupellose Art, Gerechtigkeit Geltung zu verschaffen - zum Glück sind es nur Romane!
Aber was für welche! Bei mir begann alles mit diesem Buch: WESPENNEST.
Ich hatte kurz vorher eine Besprechung eines Filmes mit Tom Cruise gelesen (Sniper); moniert wurde vor allem, dass Cruise mit seinen knapp 1,70 der Romanvorlage, einem wahren Hünen, nicht gerecht werde und deshalb Jack-Reacher-Fans dem Film fern blieben. (Später habe ich den Film auch gesehen - es stimmt!) Ja, und dann fällt mir dieses Buch in die Hände – hier der Klappentext:
„Ein angeschlagen und ungelenk wirkender Mann betritt die Bar eines Motels in Nebraska: Es ist Jack Reacher. Dort bekommt er zufällig mit, dass der Dorfarzt einen Notruf entgegennimmt, sich jedoch weigert, der Anruferin zu helfen. Kurzerhand zwingt Reacher ihn dazu, seine Pflicht zu erfüllen – und lernt eine Frau kennen, die nicht zum ersten Mal von ihrem Mann verprügelt wurde. Er stellt den Schläger im örtlichen Steakhouse und löst damit eine Lawine aus. Denn der Schläger ist niemand anderes als einer der Duncan-Brüder. Seit Jahren führen sie mit eiserner Faust ein Regime der Einschüchterung und der erpresserischen Ausbeutung …“
Schon zwei Tage später begann ich meine Sammlung mit dem Band 1. (Wer Interesse an Details zur Reihe hat - bitte kurze Mail oder Post auf meiner Facebook-Seite)
Was meiner Meinung nach so herausragend an der Reihe ist? Der unsentimentale Blick in die Abgründe unserer Gesellschaft, insbesondere der amerikanischen. Im Kern sind die Geschichten sehr politisch, gelegentlich hochmoralisch – und werden so wunderbar balanciert durch den nicht im Geringsten zimperlichen Held, der forscht und aufklärt, nötigenfalls prügelt und mordet und gewissermaßen die Drecksarbeit macht. Diese etwas totalitär anmutende Idee ist natürlich nicht neu, John Wayne und Dirty Harry lassen grüßen; neu ist aber die nachgerade süchtig machende Umsetzung. Bekennend konservativ, bestechend intellektuell, aber super spannend. Ich kenne kaum was Besseres in diesem Genre.
Eine kleine Auswahl:
von Thomas Koch
Petros Markaris / Zurück auf Start

Das Thema Griechenland wird uns ja nun noch eine zeitlang nicht loslassen - da ist es vielleicht einmal interessant, eine viel gelobte und anerkannte, vor allem aber: griechische Stimme zu diesem Thema zu hören? Petros Markaris und sein Athener Kommissar Charitos sind für einen spannenden Plot immer gut, zudem erfährt man allerlei über hellenische Strukturen und Befindlichkeiten. Sollten Sie etwa Vorurteile hegen? - Markaris, ein bekennender Pro-Europäer und galliger Kritiker griechischer Politiker und ihrer Realitätsverweigerung, wird viele bestätigen:
„Der Deutschgrieche Andreas Makridis wird erhängt in seiner Athener Wohnung aufgefunden. Kurz darauf behauptet ein Schreiben, es handle sich um Mord. Unterzeichnet: »Die Griechen der fünfziger Jahre«. Was wie ein schlechter Scherz aussieht, ist blutiger Ernst: Weitere Tote folgen. Wer verbirgt sich hinter dieser ominösen Gruppierung? Verrückte alte Leute, die eine Rückbesinnung auf die Werte von damals fordern? Zurück zur Drachme? Der neue Fall führt Kostas Charitos kreuz und quer durch eine Stadt, die von Tag zu Tag gefährlicher wird. Das muss der Kommissar auch privat erfahren: Seine Tochter Katerina wird von einem Neonazi der »Goldenen Morgenröte« zusammengeschlagen – mitten im Zentrum, am helllichten Tag.“
Markaris‘ Krimis sind ein wenig konventionell, aber immer unterhaltend. Und sein Athen ist echt spannend!
von Thomas Koch
Karine Tuil / Die Gierigen

Die Geschichte eines Lebens bzw. eines Lebenserfolges unter falscher Identität ist in der Literatur nichts Neues. Das besondere an diesem Buch ist die Beziehung zwischen dem „Dieb“ und dem „Bestohlenen“ und die Art, wie die Zweier-Beziehung, die natürlich eine Dreier-Beziehung ist, aufgerollt wird.
Man will immer wissen, wie der einzelne Handlungsstrang weitergeht. Die Autorin versteht es, einen Sog in der Geschichte aufzubauen.
Die Auflösung der Geschichte hält zwar mit dem Tempo und der Energie, wie sie zuvor aufgebaut wurden, nicht ganz mit – dennoch ein spannendes und super durchkomponiertes Buch.
von Thomas Koch
Martin Suter / Montecristo

Diese Geschichte, die man natürlich nicht kurz zusammenfassen kann, ohne das Lesevergnügen zu zerstören, spielt am Finanzplatz Schweiz und ist so ein typischer Fall von „soweit würden die doch nicht gehen, oder?“. Das heißt, man schwankt immer zwischen der Überlegung, dass das alles völlig überzogen sei und dem Grauen, es könnte doch real sein.
Auch wenn die handelnden Personen, die sich um die Aufklärung der seltsamen Vorkommnisse bemühen, nicht immer einer verständlichen Logik folgen, wird das Ganze plausibel aufgelöst. Martin Suter hat sich hier Gott sei Dank von den Almen-Romanen gelöst und erzählt wieder einfach eine gute Geschichte.