von Thomas Koch
Till Raether / Blutapfel

Wer „Treibland“ von Till Raether mit wachsender Spannung gelesen hat, sollte auch „Blutapfel“ lesen – und wer „Treibland“ nicht gelesen hat, kann, ja sollte es eigentlich dennoch tun: Der zweite Fall für Adam Danowski, den hypersensiblen, unberechenbaren Hamburger Kriminalkommissar. Es ist ein richtig spannendes Buch, das gewissermaßen im Elbtunnel beginnt und uns dann an viele Orte meiner Heimatstadt führt, wo man nie hinkommt, selbst wenn man Hamburg gut kennt. Die handelnden Personen sind sich alle gegenseitig nicht grün, wer mag schon den amerikanischen Geheimdienst, und finden doch rechtzeitig einen gemeinsamen Weg. Und für alle die, die wie ich schon ungewohnt früh eine Ahnung zu haben glauben, sei gesagt, dass es am Schluss natürlich doch etwas anders kommt. Mehr kann man aber nicht verraten!
von Thomas Koch
J. J. Abrams / S. - Das Schiff des Theseus

J. Abrams kennt man als Regisseur aus dem Kino (Mission Impossible III, Star Trek – Into Darkness, jetzt gerade in den Kinos Star Wars Episode VII) und aus dem Fernsehen (z. B. Lost oder Fringe), also ein ganz Großer. Und nun das: Er schreibt einen Roman. Nein, er erschafft ein verzwicktes, ein vielschichtiges Buch. Ja, erschaffen, denn es ist viel mehr als ein Text, es ist ein herrlich sentimentales Buchprojekt geworden, ein Triumph der Nostalgie, haptisch eine Wucht; wunderbar eintauchend in unsere Kinderzeit mit ihrem Spieltrieb und der Schatzsuchelust. Eine einfach irrsinnige Reise durch Zettel, Schnipsel, rätselhafte Anmerkungen. Man hat wirklich das Gefühl, etwas Altes in Händen zu halten, an einem Geheimnis beteiligt zu sein. Der Trost für uns hier aus dem Lande Gutenbergs: Die deutsche Übertragung ist glaubhafter, besser als das amerikanische Original - wir haben es immer noch drauf!
Es ist ein sensationelles Buch, ein „must have“ für jeden Bücherfreund.
von Thomas Koch
Dave Eggers / Weit gegangen

Aber auch für uns Erwachsene gilt, dass die Bilder im Fernsehen nicht alles zeigen. Dave Eggers, wohlbekannt mit „Der Circle“ und „Ein Hologramm für den König“ hat im Jahre 2009 eine faszinierende Flüchtlingsbiografie aufgeschrieben.
Herzzerreißend, authentisch, und immer noch so entsetzlich aktuell.
von Thomas Koch
Claude Dubois / Akim rennt

Wir sehen Tag für Tag das Elend im Fernsehen, unfassbare Momentaufnahmen. Wie können wir das unseren Kindern erklären?
Die Belgierin Claude Dubois hat da ein wunderbares Kinderbuch zu geschrieben und gemalt. Es nimmt einem wirklich den Atem, beeindruckend, bedrückend, schlicht: gelungen.
von Thomas Koch
von Thomas Koch
David Monteagudo / Wolfsland

Das sei ja nun ein Bestseller aus Spanien, eine dramatische Werwolfgeschichte aus der archaischen Landschaft Galiziens, das Böse in einem von der Außenwelt praktisch abgeschlossenen Tal. Du denkst natürlich sofort an „Das finstere Tal“, an „Die Bärenjagd“, ja, auch an das Fantastische bei Fred Vargas - und wirst so herb enttäuscht. Kein Drama, keine Spannung - der Werwolf taucht erst- und einmalig (er scheint danach einfach so gestorben zu sein) auf Seite 249 von 268 auf!
Ständig ist die Rede von entsetzlich armen Menschen in einem total abgelegenen Tal: Bei den geschilderten Begebenheiten finden sich jedoch nur normale Leute, die das Tal, wann immer sie wollen, verlassen können. Monteagudo scheitert so an seiner riskanten Konstruktion: Er wählt den Rückblick des reifen Mannes auf Ereignisse in der Kindheit, die das Kind in Ich-Form schildert. Er kann aber der Versuchung, das alles als Erwachsener zu relativieren, zu reflektieren, nicht widerstehen. Das geht schief. Kolossal.
von Thomas Koch
Flore Vasseur / Kriminelle Bande

Anders als Massimo Carlotto mit seiner super hardboiled Marseille-Connection, der als reine Fiction schildert, wie brachial und bedenkenlos die organisierte Kriminalität auftritt, zeigt uns die Fernseh-Journalistin Flore Vasseur, dass Politik schon längst zum Handlanger des Großen Geldes wurde - und das das Große Geld längst das Große Verbrechen ist:
Der Blick richtet sich zunächst in eine Gruppe von Absolventen einer französischen Elite-Uni, geht ihren Lebensläufen, ihren scheinbaren Erfolgen und verheimlichten Niederlagen nach, ihrer charakterlichen Entwicklung: gelegentlich bemüht wirkend, aber insbesondere die Schilderungen der Pariser Schickimickiszene sind sehr gelungen und unterhaltsam.
Die zweite Ebene, der Haupthandlungsstrang, befasst sich dann mit Finanzmanipulationen undenkbaren Ausmaßes - und was das viele Geld mit Menschen macht. Das liest sich hoch spannend, und es keimt der Verdacht auf, dass da jemand weiß, wovon er so lesenswert schreibt. Und es bleibt die Hoffnung - nee, so schlimm kann es nun doch nicht sein.
Übrigens, sehr zeitgemäß: Das Buch enthält einen Code, mit dem man es sich auch kostenlos als (interaktives, siehe weiter unten) E-book downloaden kann. Und: In den Text sind zahllose QR-Codes eingebettet, die einen via Smartphone oder PC zu teilweise sehr verstörenden Factsheets führen. Echt spannend! Und, als Novum auch sehr gelungen: Die Fernsehjournalistin schafft es, dem modernen Buch multimedial Leben einzuhauchen. Da will ich ihr gern verzeihen, dass ich der dem Buch zugrunde liegenden Verschwörungstheorie nicht so ganz Glauben schenken mag.