von

Thomas Thiemeyer / Valhalla

Mit dem Zurückweichen des Eises auf der Nordhalbkugel werden auch Geheimnisse und Sensationen frei gelegt, Düsteres aus ferner und fernster Vergangenheit. Biowaffenexperimente der Nazis, aber auch versunkene Kulturen - Hyperborea! Kannte ich als Romanstoff bisher nur von Robert E. Howards Conan - treten zutage. Natürlich gibt es üble Schurken, die das für ihre ruchlosen Zwecke ausnutzen wollen: herrlich, es sind Russen! (endlich wieder, jahrzehntelang zwangen Perestroika und political correctness uns seltsamste Bösewichter auf, Araber und Nordkoreaner, alterslose Stasi-Schergen). Aber Ihnen stemmen sich tapfere Menschen entgegen, ja, auch eine deutsche Archäologin unter ihnen mit ihren kampferprobten, Hightech-versierten Freunden. Eine dolle, wilde Geschichte, zugleich spannend wie lehrreich. Der Thiemeyer gräbt da Fakten aus, klasse. Ein Buch, das rundum Spaß macht, unterhält, und, mit ein paar der wissenschaftlichen Ideen kann man sogar gut Smalltalk machen!

Ja, ich will an meinen Fingernägeln knabbern

von

Juli Zeh / Unterleuten

Unterleuten ist Provinz, tiefste Provinz in Brandenburg, aber da in Brandenburg ist echt die Hölle los.

Alles entzündet sich an den ja auch in den westlichen Bundesländern nicht mehr wirklich beliebten Windrädern. Juli Zeh erzählt anhand dieses Aufhängers Geschichten von Menschen, von Alteingesessenen und Neubewohnern des Dorfs, von jungen Menschen mit Träumen und alten Menschen – auch mit Träumen. Und natürlich führen die unterschiedlichen Träume und auch handfeste wirtschaftliche Interessen zu heftigen Konflikten und unvorhersehbaren Wendungen.

Keine hohe Literatur, aber entspannt zu lesen, macht vor allem Spaß wegen der gut gezeichneten unterschiedlichen Charaktere.

Her damit

von

Heinz Strunk / Der goldene Handschuh

Eigentlich schreibe ich nicht so gern über Bücher, die über alle Maßen „gehypt“ werden, aber hier muss ich eine Ausnahme machen  -  dieses Buch führt halt direkt in meine Jugend in Hamburg, in Gegenden und, ja, es muss raus, auch in Kneipen, in die man mal einen Fuß gesetzt hat, in Stadtteile, die heute, wie heißt es so schrecklich: voll gentrifiziert sind.

Wir lernen Fritz Honka kennen, den Serienmörder im Hamburg der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts. Und wir bekommen einen Einblick in die tiefsten Abgründe und Schlünde der Gesellschaft, der da ganz unten, aber auch der da weit oben. Alkohol, Geilheit und Gefühlskälte machen alle irgendwie gleich. Ein schauerlich schreckliches Buch, nur was für wirklich „Hartgesottene“ in seiner entsetzlichen Detailwut. Ein in weiten Teilen guter, wuchtiger Roman; grelle Situationskomik, aber auch zarte Empfindsamkeit. Man merkt aber auch, dass Strunk noch seinen Stil, seine Sprache finden muss. Es holpert manchmal arg, und gelegentlich hätte ein Lektor eingreifen sollen, doch es ist ein Stück starker Literatur. Ein Buch, das den Leser nicht schont, wahrlich nicht.

Ich will mich gruseln

von

Christoph Poschenrieder / Mauersegler

Ab einem gewissen Lebensalter bedenkt man das Ende, überlegt sich, wie man das in Würde und möglichst selbstbestimmt hinbekommt. Ein heikles Thema, kaum geeignet für einen heiteren Roman? Doch. Poschenrieder schafft dieses kleine Wunder:

Fünf Freunde gründen eine Alten-WG, einzig mit dem Ziel, ihre letzten Jahre intensiv zu leben und einander beim Sterben zu helfen und zu begleiten.  
Es ist ein wundersames kleines Büchlein entstanden voller Humor und lustiger Bilder, voller Sarkasmus und, ohne in Kitsch abzugleiten, voller Sentimentalität:
„Mir gefällt die Vorstellung, dass sterbende Mauersegler einfach die Flügel falten und zu Boden stürzen. Ich weiß nicht, ob das wirklich so ist. […] Doch manchmal muss man sich vor Wissen schützen. Der Mauersegler legt die Flügel an und will nicht mehr fliegen. So soll es auch mit mir zu Ende gehen.“

Nun ist das auch rechtlich-behördlich ein heikles Thema, die fünf Freunde, diese fünf schrägen und anstrengenden Charaktere, müssen allerlei Anstrengungen unternehmen, um einfach nur die Flügel anzulegen. Manches Mal musste ich schallend lachen. Aber auch weinen. Ein tolles Buch, ein hoffnungsvoller Autor.

Ich plane noch nichts, aber…

von

Fred Vargas / Das barmherzige Fallbeil

Eine meiner absoluten Lieblingsautorinnen, die französische Archäologin mit dem schönen Pseudonym. (Im Gegensatz zu Einzlkind weiß man wenigstens, wer sie ist! http://de.wikipedia.org/wiki/Fred_Vargas)

Ihre Kriminalromane um den Kommissar Adamsberg zeichnen sich alle durch einen Hauch von Unwirklichkeit aus, eine leichte, aber irgendwie realistische Absurdität in der Konstruktion der Fälle; skurril überzeichnete, aber umso greifbarere, lebendigere Charaktere. Und sprachlich, stilistisch  –  na ja, meiner Meinung nach hat Fred Vargas da den Kriminalroman auf das nächst höhere Level gebracht. Da gibt es kein Vertun, ihr gelingen Bilder, Beschreibungen von unglaublicher Brillanz. Und dabei ist sie im höchsten Maße lesbar, unterhaltend und, ja, sehr sehr spannend.
Dieser aktuelle Fall nun führt uns in die Welt der Französischen Revolution: wer da glaubt, das sei alles erledigt, verjährt und abgeschlossen  –  Irrtum. Es reicht immer noch für große Morde und grausame Mörder. So ganz nebenbei erfahren wir ungeahnt spannende Details aus dem Leben der Revolutionäre und lernen zu verstehen, wie schnell es zu blindwütigem Fanatismus kommen kann.

Ein ungemein lesbares, aber auch bildendes Buch, sicher ein wenig polarisierend; aber, wer erst einmal seinen Zugang zu Geschichte und handelnden Personen gefunden hat, wird es nicht mehr weglegen wollen. Und: Fred Vargas kann süchtig machen!

Bitte meine erste Dosis

von

Einzlkind / Billy

Billy ist Mörder, Berufsmörder mit hehren ethischen Ansprüchen und beeindruckender Philosophie:

„Es ist immer das Gleiche, wenn ihr merkt, dass es kein Spiel ist, kein Bluff, dass es keinen Ausweg gibt und niemand euch aus diesem dunklen Traum erwecken wird. Kein Superheld wird kommen. Keine Rettung. Kein Vergeben. Nirgends.“

Zwölfmal hat er bislang zu aller (na ja, jeweils minus eins) Zufriedenheit seinen Job gemacht (auf seine spezielle Art, die an sich schon super zu lesen ist!), aber dann stimmt irgendetwas nicht, ein kleiner Riss in der Welt Billys. Und es wird richtig spannend, ein mörderischer Showdown vom Allerfeinsten. Wow.

Ein in seiner Lakonie, in seinen Wendungen, in der absurden und doch seltsam schlüssigen, fast sympathisch anmutenden Sicht auf die Welt, auf Gerechtigkeit und eben Ungerechtigkeit, herrlich zu lesendes Buch; spannend, unterhaltend, schlafraubend.

Ich will endlich einen Mörder kennenlernen

von

Bee Wilson / Am Beispiel der Gabel

Wenn man nur ein wenig neugierig ist, was ein Mensch wohl über die „Hardware“ in unseren Küchen erzählen will, also über die Dinge, DIE man nicht kocht oder isst, sondern MIT denen man das tut, dann fängt einen schon die Einleitung ein: „ Der Holzlöffel … scheint eher das Gegenteil von dem zu sein, was man gemeinhin unter dem Wort „Technologie“ versteht. Man kann ihn nicht ein- oder ausschalten; und er gibt keine seltsamen Geräusche von sich. Er ist nie patentiert worden und verfügt über keine Garantie.“

Dieser Anfang zeigt sehr genau die vergnügliche Vorgehensweise der Autorin: sie kann wunderbar unterhaltend über Utensilien und Gerätschaften erzählen; Assoziationen, die man nicht sofort mit dem Begriff in Verbindung bringt; Zusammenhänge, die man nicht wusste, aber auch nicht wissen muss. Die interessant sind, aber auch nicht so interessant, dass man sich das alles unbedingt merken muss.

Spannend ist vor allem der historische Kontext, in den das Zubereiten oder Essen von Speisen gestellt wird – auch das also eher ein Buch zum immer mal wieder aufschlagen als zum in einer Nacht durchlesen. Kurzweilig, manchmal richtig lustig - und man bekommt wahnsinnig viel Stoff für Party-Konversationen.

Das spieß‘ ich mir auf